Wachstumsprognosen und Realität

Inhalt / Kernpassagen:
- Vorbemerkung
- Tabellen mit Prognosen und Wachstumsraten - Links zu Quellen
- (BLOG-artig:) Einzelne Jahre 2005 bis 2010 mit Auszügen aus Gutachten und Pressemeldungen
- Fazit für eilige Leser


Vorbemerkung:

Auf ältere Prognosen der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute und des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wurde bereits an anderer Stelle (kritisch) eingegangen. Diese Wachstumsprognosen, die mit dem späteren "tatsächlichen" Wachstum verglichen wurden, bezogen sich auf die Jahre 2000 bis 2004.

Die "tatsächlichen" Wachstumsraten (bis zum Jahr 2004) haben sich allerdings teilweise infolge der großen VGR-Revision 2005 rückwirkend geändert (VGR = Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung[en]). Vgl. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 28. April 2005:

"Bei der großen VGR-Revision 2005 hat die deutsche VGR insbesondere drei Veränderungen vorgenommen:
- Einführung eines neuen Verfahrens zur Preisbereinigung: Statt Festpreisbasis
    Vorjahrespreisbasis mit Verkettung
- Aufteilung der so genannten unterstellten Bankgebühren (FISIM) auf die Verwender und
- Einbeziehung neu zur Verfügung stehender statistischer Daten".

Eingedenk dieser Zäsur durch die VGR-Revision 2005, auf die weiter unten noch einmal kurz eingegangen wird, folgt hier die Fortsetzung des tabellarischen Vergleichs zwischen dem "tatsächlichen" Wirtschaftswachstum ab 2005 und den vorausgegangenen Prognosen.

Große Revisionen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen finden etwa alle fünf Jahre statt, zuletzt wieder die VGR-Revision 2011, auf deren Ergebnisse hier nur ganz unten kurz eingegangen wird. Ansonsten beziehen sich alle hier angegebenen Wachstumsraten auf den Berechnungsstand vor der großen VGR-Revision 2011 (August), um den Vergleich mit den Prognosewerten nicht zu verzerren.


Es geht dabei um die Wachstumsprognosen

  • in den zweimal jährlich erstellten Gemeinschaftsgutachten (-diagnosen) führender Wirtschaftsforschungsinstitute (deren Kreis sich 2007 und 2010 etwas verändert hat) sowie
  • in dem jeweils im November veröffentlichten Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (der so genannten fünf Weisen).

Bis auf die in der ersten Tabelle angegebenen Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute von 2004 und vom Frühjahr 2005 datieren alle Gutachten aus der Zeit nach der VGR-Revision.


1)  Gemeinschaftsprognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute und Realität
Jahr Gutachten Wirtschaftswachstum
in Deutschland
 Prognose  tatsächlich
2005 Frühjahrsgutachten 2004 1,5 % 0,8 %
Herbstgutachten 2004 1,5 %
Frühjahrsgutachten 2005 0,7 %
Herbstgutachten 2005 0,8 %
2006 Frühjahrsgutachten 2005 1,5 % 3,4 %
Herbstgutachten 2005 1,2 %
Frühjahrsgutachten 2006 1,8 %
Herbstgutachten 2006 2,3 %
2007 Frühjahrsgutachten 2006 1,2 % 2,7 %
Herbstgutachten 2006 1,4 %
Frühjahrsgutachten 2007 2,4 %
Herbstgutachten 2007 2,6 %
2008 Frühjahrsgutachten 2007 2,4 % 1,0 %
Herbstgutachten 2007 2,2 %
Frühjahrsgutachten 2008 1,8 %
Herbstgutachten 2008 1,8 %
2009 Frühjahrsgutachten 2008 1,4 % minus
4,7 %
Herbstgutachten 2008 0,2 %
Frühjahrsgutachten 2009 minus 6,0 %
Herbstgutachten 2009 minus 5,0 %
2010 Frühjahrsgutachten 2009 minus 0,5 % 3,6 %
Herbstgutachten 2009 1,2 %
Frühjahrsgutachten 2010 1,5 %
Herbstgutachten 2010 3,5 %
  Berechnungs-
stand vor der gr.
VGR-Revision
2011
(August)

Die Frühjahrsgutachten (im April) und Herbstgutachten (im Oktober) enthalten jeweils Prognosen für das laufende und das folgende Jahr. (Im Herbst liegen allerdings bereits Daten für das erste Halbjahr vor, die in die Prognose für das laufende Jahr einfließen. Insofern beginnt der eigentliche Prognosezeitraum des Herbstgutachtens erst mit der zweiten Hälfte des laufenden Jahres - vgl. auch ifo-Grafik weiter unten).


2)  Prognosen des Sachverständigenrates und Realität
Jahr Gutachten
Titel
Wirtschaftswachstum
in Deutschland
 Prognose  tatsächlich
2005 Jahresgutachten 2004/05 (veröffentl. November 2004)
"Erfolge im Ausland - Herausforderungen im Inland"
1,4 % 0,8 %
2006 Jahresgutachten 2005/06 (veröffentl. November 2005)
"Die Chance nutzen - Reformen richtig voranbringen"
1,0 % 3,4 %
2007 Jahresgutachten 2006/07 (veröffentl. November 2006)
"Widerstreitende Interessen - ungenutzte Chancen"
1,8 % 2,7 %
2008 Jahresgutachten 2007/08 (veröffentl. November 2007)
"Das Erreichte nicht verspielen"
1,9 % 1,0 %
2009 Jahresgutachten 2008/09 (veröffentl. November 2008)
"Die Finanzkrise meistern - Wachstumskräfte stärken"
0,0 % minus
4,7 %
2010 Jahresgutachten 2009/10 (veröffentl. November 2009)
"Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen"
1,6 % 3,6 %
  Berechnungs-
stand vor der
VGR-Revision
2011
(August)

Die Jahresgutachten des Sachverständigenrates (im November) enthalten neben den Prognosen für das folgende Jahr auch Schätzungen für das (zu diesem Zeitpunkt schon fast abgelaufene) laufende Jahr, die in der obigen Tabelle nicht angegeben sind (2005: 0,8 %, 2006: 2,4 %, 2007: 2,6 %, 2008: 1,7 %, 2009: minus 5,0 %, 2010: 3,7 %).


Links / Quellen:



Bemerkungen zu den Jahren 2005 bis 2010

( 2005 - 2006 - 2007 - 2008 - 2009 - 2010 )


Noch einmal kurz zur VGR-Revision 2005

(im Wesentlichen:
- Einführung eines neuen Verfahrens zur Preisbereinigung: Statt Festpreisbasis
    Vorjahrespreisbasis mit Verkettung
- Aufteilung der so genannten unterstellten Bankgebühren (FISIM) auf die Verwender und
- Einbeziehung neu zur Verfügung stehender statistischer Daten").

Aus der oben bereits erwähnten Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 28.4.2005:

"Im Ergebnis ist das Niveau des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als zentrale Größe der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nach der Revision 2005 in jeweiligen Preisen in den Jahren 1991 bis 2004 zwischen rund 30 und 47 Mrd. Euro ... höher als bisher ..."

"Die Abweichungen der revidierten Ergebnisse von den bisher veröffentlichten Ergebnissen gehen sowohl auf konzept- als auch auf datenbedingte Änderungen zurück, wobei letztere per Saldo vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die Höhe des BIP haben ... Im Zeitablauf weichen die Veränderungsraten des nominalen BIP in einzelnen Jahren bis zu einem halben Prozent­punkt in beide Richtungen von den bisherigen Veränderungsraten ab. Im Jahresdurchschnitt 1991 bis 2004 bleibt die Veränderung des nominalen BIP mit + 2,8% jedoch nahezu unverändert (bisher: + 2,9%)."

"Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt zeigt sich dagegen nach der Revision 2005 im Zeitablauf überwiegend erhöht ...: Die jährlichen Veränderungsraten liegen in den meisten Jahren zum Teil deutlich über den bisherigen Angaben (bis zu + 0,4%-Punkte), oder sie sind unverändert. Betrachtet man allerdings die gesamte Zeitspanne von 1991 bis 2004, so ergibt sich im Jahresdurchschnitt nur ein leicht stärkerer Anstieg des preisbereinigten BIP (+ 1,5% gegenüber + 1,3% bisher)."

Diese inflationsbereinigten Wachstumsraten (das reale Wirtschaftswachstum, das auch den Gegenstand der Prognosen bildet) änderten sich für die Jahre 2000 bis 2004 zunächst wie folgt:

Jahr 2000 2001 2002 2003 2004
vor der VGR-Revision 2005   2,9 %   0,8 %   0,1 % - 0,1 %   1,6 %
nach der VGR-Revision 2005,
Berechnungsstand April 2005   
  3,2 %   1,2 %   0,2 %   0,0 %   1,6 %


Die neuen Ergebnisse sind jedoch bereits wieder überholt, denn inzwischen hat das Statistische Bundesamt seine Angaben durch Einbeziehung neu verfügbarer Informationen (routinemäßig) überarbeitet und kam dabei für die letzten Jahre wieder zu niedrigeren Wachstumsraten:

Jahr 2002 2003 2004
Berechnungsstand August 2006                             0,0 % - 0,2 %   1,2 %

(Siehe Schnellmeldung vom 14.8.2006 unter Neuberechnung des Bruttoinlandsprodukts, Ursprungswerte, preisbereinigt, verkettet.)

Das Wachstum 2005 betrug nach diesem Berechnungsstand 0,9 % (wie auch schon in einer Pressemitteilung vom 12.1.2006 gemeldet worden war).

Vgl. auch Grafik des ifo-Institutes zum Herbstgutachten 2006 der Wirtschaftsforschungsinstitute mit Prognosezahlen für 2006 und 2007 und Angaben über zurückliegende Jahre ab 2002:

[Herbstgutachten 2006]

(Außer den realen BIP-Jahreszuwächsen - z. B. 1,2 % im Jahr 2004 (nach immer noch vorläufigen Berechnungen aus dem Jahr 2006) - zeigt die Grafik auch den quartalsweisen, saison- und arbeitstäglich bereinigten Verlauf in hochgerechneten Jahresraten.)


Im weiteren Zeitverlauf wurde die Wachstumsrate 2005 noch auf 0,8 % korrigiert und blieb damit noch etwas mehr hinter den Prognosen [der vor der VGR-Revision 2005 erstellten Gutachten] zurück.

[Wachstumsrate nach dem Berechnungsstand vor der VGR-Revision 2011]

Die Wirtschaftsforschungsinstitute hatten (im Herbstgutachten 2004) 1,5 % vorausgesagt.
Der Sachverständigenrat prognostizierte (im November 2004) 1,4 %
[siehe auch die beiden ersten Tabellen weiter oben].


Auf den BIP-Anstieg 2006 und die diesbezüglichen sukzessiven Korrekturen des Statistischen Bundesamtes wollen wir etwas ausführlicher eingehen. (Dabei kommen wir auch kurz zu dem mit dem Bruttoinlandsprodukt eng zusammenhängenden Bruttonationaleinkommen (früher als Bruttosozialprodukt bezeichnet) und dem Volkseinkommen mit seinen beiden Komponenten Arbeitnehmerentgelt sowie Unternehmens- und Vermögenseinkommen.)

Am 11. Januar 2007 veröffentlichte das Statistische Bundesamt erste Ergebnisse (siehe Pressemitteilung unter dem Titel: "Deutsche Wirtschaft im Jahr 2006 kräftig gewachsen") und bezifferte das reale Wirtschaftswachstum im Jahr 2006 vorläufig mit 2,5 %.

Gleichzeitig wurden folgende Wachstumsraten ab 1996 angegeben:

Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt, verkettet
Veränderung gegenüber dem Vorjahr:

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
  1,0 %    1,8 %    2,0 %    2,0 %    3,2 %    1,2 %    0,0 %  - 0,2 %    1,2 %    0,9 %    2,5 % 

Die Angaben ab 2004 wurden allerdings inzwischen wieder geändert (siehe weiter unten).


2006 wurde - ganz unerwartet - ein äußerst fettes Jahr, auch wenn nicht alle im gleichen Maße daran partizipierten. Aus der o. a. Pressemitteilung vom 11.1.2007 (Langfassung) des Statistischen Bundesamtes:

"In jeweiligen Preisen erhöhte sich das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2006 auf 2 303 Milliarden Euro (+ 2,8%). Das Bruttonationaleinkommen stieg etwas stärker um 2,9% auf 2 313 Milliarden Euro, da die aus dem Ausland empfangenen Zinsen und Ausschüttungen deutlich zulegten."

"Das Volkseinkommen nahm im Jahr 2006 um 3,1% auf 1 728 Milliarden Euro zu. In 2005 war der Anstieg mit 1,5% deutlich geringer ausgefallen. Bei leicht rückläufiger Bevölkerungszahl (- 0,1%) erhöhte sich das Volkseinkommen je Einwohner noch etwas stärker um 3,3% auf rund 21 000 Euro. Die beiden Komponenten des Volkseinkommens, das Arbeitnehmerentgelt sowie die Unternehmens- und Vermögenseinkommen, entwickelten sich - wie schon in den vorangegangenen Jahren - sehr unterschiedlich: Während das Arbeitnehmerentgelt mit 1 144 Milliarden Euro nach dem Rückgang in 2005 im Jahr 2006 wieder einen leichten Anstieg verzeichnete (+ 1,3%), legten die Unternehmens- und Vermögenseinkommen wiederum beachtlich auf 584 Milliarden Euro zu; mit 6,9% fiel die Zunahme etwas höher aus als in 2005 (+ 6,2%). Die Lohnquote (Anteil des Arbeitnehmerentgeltes am Volkseinkommen) lag im Jahr 2006 mit 66,2% nochmals deutlich unter der des Vorjahres (67,4%) und ist damit bereits seit dem Jahr 2000 (72,2%) rückläufig." – (So das Statistische Bundesamt, 11.1.2007.)

Ähnlich heißt es in einer weiteren Pressemitteilung des Bundesamtes vom 22. Februar 2007 mit ausführlicheren Angaben zum 4. Quartal 2006: "Das Volkseinkommen erhöhte sich im Berichtsquartal um 4,5%. Diese Zunahme war aber wiederum ungleichmäßig auf die beiden Komponenten verteilt: Während das Arbeitnehmerentgelt nur mäßig zulegte (+ 2,0%), stiegen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen wiederum beachtlich (+ 10,7%)."

Zu bedenken ist dabei, dass das Arbeitnehmerentgelt auch die so genannten Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung der Arbeitnehmer, die den wesentlichen Teil der ominösen Lohnnebenkosten ausmachen, einschließt. Die Arbeitgeberanteile sind also Bestandteil des Arbeitnehmerentgelts.
Und das Arbeitnehmerentgelt enthält auch die übertriebenen Gehälter mancher leitenden Angestellten im Management, von denen der Durchschnittsarbeitnehmer nur träumen kann - wie auch der einfache mittelständische Unternehmer!

Wenn schon das statistische Arbeitnehmerentgelt ziemlich mickrig war, wie selbst das Statistische Bundesamt ziemlich unverblümt zu erkennen gibt, wie bescheiden war dann dann erst das Entgelt, das der normale Arbeitnehmer in die Finger bekam?

Aber das war immer noch eine fürstliche Entlohnung im Vergleich zu den Malochern in China oder Indien und anderen "aufstrebenden Wirtschaftsnationen" und zunehmend wichtigen Handelspartnern Deutschlands mit ihrem "traumhaften Wachstum" - von dem sich eine Minderheit die dicken Scheiben abschneidet. Den Massen bleibt, wenn auch kein gerechtes Arbeitsentgelt, so doch wenigstens ihre tägliche Arbeit und ihr täglich Brot. Und das ist ja auch was Schönes - oder?

Doch Berichte über Kinderarbeit in Indien [Brot für die Welt] und moderne Sklaverei in China [Deutsche Welle] oder die ständigen Meldungen über chinesische Grubenunglücke [FAZ.NET], bei denen jedes Jahr Tausende von Bergleuten in unsicheren Kohlegruben ums Leben kommen, trüben den schönen Schein des über den real existierenden Sozialismus vergangener Tage triumphierenden globalen Kapitalismus.

Apropos: Gerade die Finanzwirtschaft ist auf realwirtschaftliche Daten erpicht. Auch das Statistische Bundesamt muss dem nachkommen - möglichst genau und vor allem schnell: "Seit dem Jahr 2000 hat sich die erste Veröffent­lichung des BIP, unter anderem auf Drängen der Finanzwelt und des Bedarfs der EZB nach aktuelleren Daten für die Eurozone, von 65 auf nur noch 45 Tage nach Abschluss des Berichtsquartals beschleunigt" (Pressemitteilung vom 3.8.2007).


Bereits in einer Schnellmeldung vom 13. Februar 2007 hatte das Statistische Bundesamt die reale BIP-Veränderungsrate 2006 von 2,5 % (s. o.) auf 2,7 % korrigiert.

Im Mai 2007 verbesserte das Statistische Bundesamt diesen Wert auf 2,8 %: "Das Jahresergebnis wurde um 0,1 Prozentpunkte nach oben korrigiert auf nunmehr 2,8 % (kalenderbereinigt: + 3,0 %). Diese Aufwärtskorrekturen sind vor allem bedingt durch positivere Ergebnisse im Verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe sowie bei den Bauinvestitionen" (Pressemitteilung vom 24.5.2007).

Im August 2007 wurden dann (wie jedes Jahr zu diesem Zeitpunkt) die Jahresergebnisse der letzten vier Jahre erneut überarbeitet. Dabei wurde die Wachstumsrate 2006 nochmals angehoben: auf 2,9 Prozent.

Dazu bemerkte das Statistische Bundesamt in der Schnellmeldung vom 14.8.2007:

"Diese regelmäßigen Korrekturen liegen in der Natur der Berechnungen: Um möglichst frühzeitig aktuelle Zahlen veröffentlichen zu können, werden die Ergebnisse auf unvollständiger Datenlage berechnet und zum Teil geschätzt. Erst nach rund vier Jahren, wenn nahezu alle notwendigen Basisstatistiken vollständig vorliegen, gelten die Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen - vorbehaltlich so genannter großer, konzeptbedingter Revisionen - als ‘endgültig’".

Überarbeitete Zahlen ab 2003 laut Pressemitteilung vom 23.8.2007 im Vergleich zum Berechnungsstand des Vorjahres:

Jahr 2003 2004 2005 2006
Berechnungsstand August 2006   - 0,2 %   1,2 %   0,9 % -
Berechnungsstand August 2007   - 0,2 %   1,1 %   0,8 %   2,9 %


Auf 2,9 % wurde also das reale Wirtschaftswachstum des Jahres 2006 nach dem Berechnungsstand vom August 2007 beziffert, ein Wert, der später nochmals nach oben korrigiert wurde: zunächst auf 3,0 % (im August 2008) und noch ein Jahr später auf wahrhaft beachtliche 3,2 %, so hoch wie im Jahr 2000 mit der höchsten Rate seit der deutschen Wiedervereinigung.

3,2 % betrug die Wachstumsrate nach dem (immer noch vorläufigen) Rechenstand vom August 2009 (siehe auch unten). Das sind 0,7 Prozentpunkte mehr, als das Statistische Bundesamt nach ersten Berechnungen Anfang 2007 als vorläufigen Wert angegeben hatte (s. o.).

3,4 % (2006) kamen dann schließlich bei einer Rückberechnung im August 2010 heraus (siehe Pressemitteilung des Statististischen Bundesamtes Pressemitteilung vom 13.08.2010). Das sind sage und schreibe 0,9 Prozentpunkte mehr als nach der Erstberechnung vom Januar 2007! Dabei stand die damalige Pressemitteilung mit der vorläufigen Angabe von 2,5 % schon unter dem Titel: "Deutsche Wirtschaft im Jahr 2006 kräftig gewachsen".

[Wachstumsrate (3,4 %) nach dem Berechnungsstand vor der VGR-Revision 2011]

1,2 % hatten die Wirtschaftsforschungsinstitute im Herbstgutachten 2005 erwartet und
1,0 % waren vom Sachverständigenrat im November 2005 prognostiziert worden
[siehe auch die beiden ersten Tabellen weiter oben].

Nach den neuen Angaben des Statistischen Bundesamtes übertraf das Jahr 2006 hinsichtlich des prozentualen BIP-Zuwachses sogar das mit 3,2 % extrem wachstumsstarke Jahr 2000 als "fettestes" Jahr seit der deutschen Wiedervereinigung.


Wieder einmal ein ziemlicher Abstand zwischen Prognosen und Realität, nur dass man den Wachstumsauguren diesmal keinen übertriebenen Optimismus vorwerfen kann - wie so oft in den letzten Jahren. (Mag sein, dass diese im Nachhinein zu positiv erscheinenden Vorhersagen auch damit zusammenhingen, dass man keine schlechte Stimmung verbreiten wollte, zumal die Gutachten ja immer auch Politikempfehlungen für eine wachstumsorientierte Entwicklung beinhalten.)

Die eher zurückhaltenden Prognosen für 2006 wurden allerdings weit übertroffen. Im Nachhinein dürfte eine Unterschätzung der Konjunkturentwicklung auch weniger unerfreulich erscheinen als eine Überschätzung, so wie im Herbst 2000, als die vom laufenden Jahr verwöhnten Institute ebenso wie die fünf Weisen auch für das Folgejahr hohe Wachstumsraten (2,7 bzw. 2,8 %) prognostizierten und später mit 0,8 % [auf Basis der vor der VGR-Revision 2005 geltenden Berechnungsmethoden, siehe weiter oben] herbe enttäuscht wurden. Damals bekannten die Wirtschaftsweisen wenige Wochen vor Jahresende kleinlaut: "Von dem Jahr 2001 haben wir uns alle mehr erhofft, beim wirtschaftlichen Wachstum ebenso wie bei der Beschäftigung."

Wenigstens sichern die regelmäßigen Prognosen die Beschäftigung der Prognostiker, deren frohe oder weniger frohe Botschaften die Medien auch in Zukunft umgehend hinausposaunen werden.


Das Herbstgutachten 2006 der Institute war das letzte, an dem das (inzwischen aufgelöste) Hamburger Weltwirtschaftsarchiv (HWWA) beteiligt war. Am Frühjahrsgutachten 2007 war das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin letztmalig beteiligt. Dafür werden künftig andere Institute dabei sein:

Am 4.7.2007 erläuterte dazu die FINANCIAL TIMES Deutschland:

In dieser Woche wurde viel darüber gesprochen, dass das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung aus Berlin nicht mehr an der "Gemeinschaftsdiagnose" teilnehmen werde. Doch was ist diese "GD", wie sie unter Forschern genannt wird, eigentlich?

Die GD ist eine Konjunkturprognose, die seit 1950 zweimal jährlich im Auftrag der Bundesregierung von einer Gruppe führender Wirtschaftsforschungsinstitute erstellt wird. Sie ist auch unter der Bezeichnung "Frühjahrs- und Herbstprognose" bekannt. Inhaltlich besteht die GD aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird die wirtschaftliche Entwicklung weltweit und in Deutschland untersucht und daraus eine Prognose bis zum Ende des folgenden Jahres erstellt. In einem zweiten Teil geben die Forscher Politikempfehlungen. Anders als das Gutachten des Sachverständigenrates beschäftigen sich die Institute dabei selten mit Detailfragen des Steuersystems und der Sozialversicherungen. Die Regierung benutzt die GD, um eine zusätzliche, externe Meinung zur internen Konjunkturprognose zu bekommen.

Üblicherweise dauert die Erstellung der GD zwei Wochen und die dazugehörigen Treffen finden reihum bei den teilnehmenden Instituten statt. Bislang trafen sich in der ersten Woche dazu rund 60 Wissenschaftler aus den teilnehmenden Einrichtungen in einem der Institute. In der ersten Woche wird üblicherweise die rechnerische Prognose erstellt. In der zweiten Woche arbeiten die Konjunkturchefs (genannt die "Federführenden") und jeweils ein Mitarbeiter aus jedem Institut (genannt die "Adlati") an den Detailformulierungen und den Politikempfehlungen.

In den vergangenen Jahren war die GD stets vom Berliner DIW, dem Essener RWI, dem Kieler IfW, dem Münchener Ifo, dem Hallenser IWH und dem Hamburger HWWA zusammen erstellt worden.

In diesem Jahr hat die Bundesregierung die GD erstmals öffentlich ausgeschrieben. Auslöser war zum einen, dass es aus der Regierung wiederholt Kritik an der GD selber und an den Politikempfehlungen gegeben hatte. Zum anderen war dem Hamburger Weltwirtschaftsarchiv (HWWA) die öffentliche Förderung gestrichen und das Institut in Folge aufgelöst worden, sodass ohnehin nur noch fünf der ursprünglich sechs Institute übrig waren.

Wie diese Woche bekannt wurde, haben nun vier Konsortien den Auftrag bekommen, die GD für die kommenden drei Jahre zu erstellen. Neben Ifo, RWI, IWH und IfW nehmen nun auch das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung sowie das Institut für Höhere Studien und das Wifo-Institut aus Wien teil.

Für die Institute ist die GD wichtig, weil sie einen beträchtlichen Teil der Finanzierung der jeweiligen Konjunkturabteilung sicherstellt. Nach Angaben von DIW-Präsident Klaus Zimmermann fallen bei seinem Institut nun Einnahmen in Höhe von 200000 Euro pro Jahr weg, was rund vier Stellen oder einem Viertel der Konjunkturabteilung entspricht.


Neben den österreichischen Instituten WIFO und IHS wird künftig auch ein schweizerisches an der Gemeinschaftsdiagnose mitarbeiten: die Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (KOF). Die Austria Presse Agentur (APA) berichtete in einem Artikel vom 3.7.2007:

"Es ist interessant, dass das deutsche Wirtschaftsministerium geschaut hat, dass auch ausländische Partner - Wifo und IHS aus Wien und die ETH aus Zürich - dabei sind", freute sich Wifo-Experte Markus Marterbauer im Gespräch mit der APA über dieses "Zeichen für Offenheit gegenüber ausländischer Erfahrung". Die deutsche Gemeinschaftsdiagnose sei eine große Aufgabe für das Wifo, da sie internationales Prestige genieße. Bisher wurden die Konjunkturprognosen in Deutschland ausschließlich von sechs großen deutschen Instituten gemacht, heuer waren sie zum ersten Mal international ausgeschrieben worden.

"Das deutsche Wirtschaftsministerium wollte die Qualität der Prognosen verbessern", sagte Andreas Ulrich Schuh vom IHS zur APA. Insbesondere soll das IHS an einem mittelfristigen Prognosemodell mitarbeiten, das über den bisher in Deutschland üblichen Zweijahreszeitraum hinausgeht. Für das IHS sei die Beteiligung an der deutschen Gemeinschaftsdiagnose natürlich eine tolle Sache, weil gerade Deutschland für die österreichischen Konjunkturprognosen eine bedeutende Rolle spiele.

Bei der Ausschreibung des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums zum Zug gekommen sind folgende vier Konsortien: das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen in Kooperation mit dem IHS sowie das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in Zusammenarbeit mit der Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (Kof). Als vierter Partner kommt das Dreier-Konsortium des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf und das Wifo hinzu.


Zu vier (von ehemals sechs) altbekannten "führenden" deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten (ifo München, IfW Kiel, IWH Halle, RWI Essen) kommen also ab Herbst 2007 - innerhalb bestimmter Konsortien - vier neue dazu, darunter drei "ausländische" aus Österreich und der Deutschschweiz:

  •  IHS, Institut für Höhere Studien [Institute for Advanced Studies] (Wien)
     im Konsortium mit RWI Essen
  •  IMK, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (Düsseldorf)
     im Konsortium mit IWH (Halle) und WIFO (Wien)
  •  KOF, Konjunkurforschungsstelle der ETH Zürich
     im Konsortium mit dem ifo-Institut München
  •  WIFO, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (Wien)
     im Konsortium mit dem IMK (Düsseldorf) und dem IWH (Halle)


Für das Jahr 2007 lieferten die Gutachten im Zeitverlauf immer höhere Prognosewerte:

1,2 % im Frühjahrsgutachten 2006 der Institute

1,4 % im Herbstgutachten 2006 der Institute

1,8 % im Jahresgutachten 2006/07 des Sachverständigenrates (November 2006)

2,4 % im Frühjahrsgutachten 2007 der Institute

Dazu FAZ.NET am 19.4.2007: "Die fünf Institute sehen die deutsche Wirtschaft in einem gefestigten Aufschwung. Die Konjunkturforscher sagen ein Wirtschaftswachstum von real 2,4 Prozent in diesem und im kommenden Jahr voraus. (...) Mit ihrer Prognose von 2,4 Prozent sind die Institute deutlich zuversichtlicher als im Herbst, als sie für dieses Jahr ein Wachstum von 1,4 Prozent vorhersagten. In einem Minderheitenvotum hält das Institut für Weltwirtschaft (IfW) die jetzige Mehrheitsprognose noch für zu niedrig. Die Kieler Forscher erwarten für dieses Jahr einen BIP-Zuwachs von 3 Prozent ..."

"Man muss lange zurückdenken, um ein Jahr zu finden, in dem der Konjunkturhimmel so voller Geigen hing wie in diesem" (Deutschlandfunk: Anhaltender Aufschwung).

2,6 % im Herbstgutachten 2007 der Institute - Vgl. Grafik des ifo-Instituts:

[Herbstgutachten 2007]

(Da bereits Daten für das abgelaufene erste Halbjahr vorliegen, beginnt der eigentliche Prognosezeitraum erst mit dem 3. Quartal 2007. - Die angegebenen Wachstumsraten der Vorjahre von 2003 bis 2006 entsprechen dem Berechnungsstand des Statistischen Bundesamtes vom August 2007, siehe auch weiter oben.)

2,6 % erwartete auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem am 7.11.2007 veröffentlichten Jahresgutachten 2007/08.

Zur wirtschaftlichen Lage 2007 schreibt der Sachverständigenrat:

"Die Weltwirtschaft befand sich im Jahr 2007 in einem sehr robusten Zustand, als sie im Sommer des Jahres von der Finanzkrise mit dem Ausgangspunkt am Immobilienmarkt in den Vereingten Staaten getroffen wurde. Die weltwirtschaftliche Entwicklung verlief dabei weniger heterogen als in den Vorjahren. Die konjunkturelle Dynamik in den Vereinigten Staaten und in Japan schwächte sich ab, während der Euro-Raum und die Schwellenländer Südostasiens nochmals einen kräftigen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts verzeichen konnten."

"In Deutschland betrug der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr erfreuliche 2,6 vH. Die dämpfenden Effekte der Umsatzsteuererhöhung wurden dabei durch die hohe konjunkturelle Grunddynamik weitgehend kompensiert. Getragen wurde die wirtschaftliche Entwicklung von einer kräftigen Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen und von einer anhaltend hohen Nachfrage aus dem Ausland. Der private Konsum stagnierte dagegen infolge der restriktiven Fiskalpolitik."


Um 2,5 % BIP-Wachstum meldete das Statistische Bundesamt nach ersten Berechnungen in einer Pressemitteilung vom 15.1.2008 und führte noch einmal die (noch nicht überarbeiteten) Ergebnisse der Vorjahre ab 1997 auf:

Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt, verkettet
Veränderung gegenüber dem Vorjahr:

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
  1,8 %    2,0 %    2,0 %    3,2 %    1,2 %    0,0 %  - 0,2 %    1,1 %    0,8 %    2,9 %    2,5 % 


Aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 26.08.2008 ergeben sich (wie schon aus einer Schnellmeldung vom 14.08.2008) unter anderem auch leichte Korrekturen nach oben für das Wachstum der Jahre 2004 und 2006:

Jahr 2004 2005 2006 2007
Berechnungsstand August 2008                                            1,2 %    0,8 %    3,0 %    2,5 % 


Nach dem Berechnungsstand vom August 2010 brachte das Jahr 2007 sogar ein Wachstum von 2,7 % (siehe Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 13.08.2010).

[Wachstumsrate nach dem Berechnungsstand vor der VGR-Revision 2011]

1,4 % hatten die Wirtschaftsforschungsinstitute im Herbstgutachten 2006 erwartet und
1,8 % waren vom Sachverständigenrat im November 2006 prognostiziert worden
[siehe auch die beiden ersten Tabellen weiter oben].


Für das Jahr 2008 lieferten die Gutachten im Zeitverlauf immer niedrigere Prognosewerte:

2,4 % im Frühjahrsgutachten 2007 der Institute

2,2 % im Herbstgutachten 2007 der Institute

1,9 % im Jahresgutachten 2007/08 des Sachverständigenrates (November 2007)

Zur voraussichtlichen Entwicklung im Jahr 2008 meint der Sachverständigenrat:

"Nach einem lang anhaltenden und sehr starken Aufschwung wird die Weltwirtschaft im nächsten Jahr an Fahrt verlieren. In den Vereingten Staaten wird die Entwicklung erneut unterhalb der langfristigen Wachstumsmöglichkeiten verlaufen. Im Euro-Raum und in Japan wird sich das Expansionstempo verlangsamen. Die übrigen Volkswirtschaften in Asien erweisen sich demgegenüber als globale Konjunkturlokomotiven."

"In Deutschland wird das Bruttoinlandsprodukt (...) um 1,9 vH zunehmen. Die im Vergleich zum Jahr 2007 niedrigere Zuwachsrate ist insbesondere auf einen geringeren Außenbeitrag zurückzuführen. Die Binnennachfrage, und hier in erster Linie der private Konsum, wird zum Haupttreiber der wirtschaftlichen Entwicklung."

1,8 % im Frühjahrsgutachten 2008 der Institute

In der Zusammenfassung dieses Gutachtens (Gemeinschaftsdiagnose) bezeichnen die Institute die derzeitige Wirtschaftslage in Deutschland als günstig. Die Stimmung sei besser als in vielen anderen Industrieländern - trotz "der zahlreichen negativen Schocks, die in jüngster Zeit auftraten. Neben der im vergangenen Jahr restriktiven Finanzpolitik waren es vor allem die kräftige Aufwertung des Euro, die massive Verteuerung von Erdöl und Nahrungsmitteln sowie die Folgen der US-Immobilienkrise."

"Während die deutsche Konjunktur mit viel Schwung in das Jahr 2008 gestartet ist, werden sich im weiteren Verlauf dieses Jahres jedoch die negativen außenwirtschaftlichen Einflüsse zunehmend bemerkbar machen. Insbesondere wird sich die Dynamik der Ausfuhr deutlich verringern. Hingegen wird die Inlandsnachfrage etwas rascher expandieren als im vergangenen Jahr. Die privaten Konsumausgaben werden nach der lang anhaltenden Flaute spürbar ausgeweitet. Die Unternehmensinvestitionen hingegen dürften nicht mehr so rasch expandieren wie in den beiden Vorjahren, zumal sich die Absatzaussichten im Ausland eintrüben und die Kostenbelastung etwas steigt."

ebenfalls
1,8 % im Herbstgutachten 2008 der Institute, aber:

Wurde die deutsche Wirtschaftslage im Frühjahr 2008 - trotz zahlreicher "negativer Schocks" wie US-Immobilienkrise und Erdölverteuerung - noch als "günstig" bewertet (s. o.), hieß es nur sechs Monate später: "Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Herbst 2008 "am Rande einer Rezession". Aus der Zusammenfassung der Gemeinschaftsdiagnose:

"Die vorlaufenden konjunkturellen Indikatoren lassen für die kommenden Monate einen Produktionsrückgang erwarten. Vor allem aber haben sich die Erwartungen der Unternehmen in nahezu allen Sektoren der Wirtschaft in einem Maße verschlechtert, wie das in der Vergangenheit nur in Rezessionen zu beobachten war."

Dies ist vor dem Hintergrund der weltwirtschaftlichen Lage zu sehen:

"Im Herbst 2008 befindet sich die Weltwirtschaft im Abschwung. Zu den Abwärtstendenzen haben verschiedene Faktoren beigetragen: der weltweite rohstoffbedingte Inflationsschub, das Auftreten von Korrekturen an den Immobilienmärkten einer zunehmenden Anzahl von Ländern sowie die weltweite Finanzmarktkrise. Deren dramatische Zuspitzung in jüngster Zeit trübt den konjunkturellen Ausblick zusätzlich ein."

"In einer Reihe von Industrieländern droht die Wirtschaft in eine Rezession abzugleiten. In den USA deuten viele Indikatoren auf eine sehr schwache konjunkturelle Grundtendenz hin; in Westeuropa sind die Frühindikatoren in den vergangenen Monaten drastisch gefallen, und die gesamtwirtschaftliche Produktion expandierte nicht mehr; in Japan brach die Nachfrage ein. Einzig in den Schwellenländern wurde die Produktion bis zuletzt noch recht kräftig ausgeweitet, wiewohl das Tempo der Expansion auch dort insgesamt nachgelassen hat."

1,7 % im Jahresgutachten 2008/09 des Sachverständigenrates (November 2008)

Aus dem Vorwort: "Die weltweite Finanzkrise hat sich im Jahr 2008 noch einmal gravierend verschärft. Für kurze Zeit drohte ein Zusammenbruch des gobalen Finanzsystems ..."

"Die Schockwellen der Krise trafen die deutsche Wirtschaft in einer Phase der zyklischen Abkühlung. Im Laufe des Jahres trübten sich die Konjunkurperspektiven stark ein. Nur wegen eines überraschend kräftigen ersten Quartals nahm das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2008 noch um 1,7 vH zu."


1,3 % BIP-Wachstum meldete das Statistische Bundesamt nach ersten Berechnungen (auf noch sehr schwachen Grundlagen für das 4. Quartal) in einer Pressemitteilung vom 14.1.2009.

Dazu folgendes Diagramm - ebenfalls vom Statistischen Bundesamt - mit den Wachstumsraten der Jahre ab 1992 (wobei die Angaben bis 2007 noch dem Berechnungsstand vom August 2008 entsprechen):

[Wirtschaftswachstum in Deutschland 1992 bis 2008]

Das Wirtschaftswachstum 2008 ist allerdings allein dem 1. Quartal zuzuschreiben, danach begann das BIP zu schrumpfen, besonders stark im 4. Quartal. In einer Pressemitteilung (Schnellmeldung) vom 13. Februar 2009 meldet das Statistische Bundesamt (nach einer Erstberechnung des 4. Quartals und Überarbeitung der ersten drei Quartale):

"Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) war – preis-, saison- und kalenderbereinigt – im vierten Quartal 2008 um 2,1% niedriger als im dritten Quartal; das war der größte Rückgang gegenüber einem Vorquartal im wiedervereinigten Deutschland. Eine rückläufige Wirtschaftsentwicklung verzeichneten bereits die beiden Vorquartale, in denen das BIP um jeweils 0,5% gesunken war. Lediglich in den ersten drei Monaten des Jahres 2008 ist die deutsche Wirtschaft gewachsen (+ 1,5%)."

(Neben der Veränderung gegenüber dem jeweiligen Vorquartal wird auch die Veränderung gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres = Vorjahresquartal angegeben - mit und ohne Kalenderbereinigung.
Ohne Kalenderbereinigung betrug die BIP-Veränderung gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal 2,1 %, 3,4 %, 1,4 % und minus 1,6 %.)

Zur quartalsweisen Entwicklung der letzten Jahre folgende Grafik nach dem Berechnungsstand vom Februar 2009:

[Wirtschaftswachstum in Deutschland 2008]

In einer weiteren Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 25.2.2009 wurden die bisherigen Ergebnisse für 2008 bestätigt, auch die Wachstumsrate von 1,3 % des Gesamtjahres: "Die am 14. Januar 2009 bekannt gegebene vorläufige Wachstumsrate für das BIP des Jahres 2008 von 1,3% (kalenderbereinigt: + 1,0%) bleibt unverändert."

Eine Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 25.8.2009 bestätigte ebenfalls das Wachstum von 1,3 % im Jahr 2008, korrigierte jedoch rückwirkend die Rate für 2006 auf 3,2 %, was gegenüber der ersten vorläufigen Meldung zweieinhalb Jahre zuvor eine Anhebung um 0,7 Prozentpunkte (!) bedeutet.

Hier die aktualisierten Ergebnisse ab 2005:

Jahr 2005 2006 2007 2008
Berechnungsstand August 2009                                      0,8 %    3,2 %    2,5 %    1,3 % 


Nach dem Berechnungsstand vom August 2010 ergab das Jahr 2008 jedoch nur ein Wachstum von 1,0 % (siehe Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 13.08.2010).

[Wachstumsrate nach dem Berechnungsstand vor der VGR-Revision 2011]

2,2 % hatten die Wirtschaftsforschungsinstitute im Herbstgutachten 2007 erwartet und
1,9 % waren vom Sachverständigenrat im November 2007 prognostiziert worden
[siehe auch die beiden ersten Tabellen weiter oben].


Prognosen für 2009:

1,4 % im Frühjahrsgutachten 2008 der Institute und nur

0,2 % im Herbstgutachten

Aus dem Herbstgutachten 2008 der Institute, aus dem bereits oben zitiert wurde:

"Deutschland ist von der internationalen Konjunkturschwäche in besonderem Maße betroffen, weil vor allem die Nachfrage nach Investitionsgütern zurückgeht, die im deutschen Exportsortiment eine überragende Rolle spielen."

Auf der anderen Seite: "Stützend wirken im Prognosezeitraum die privaten Konsumausgaben. Die verfügbaren Einkommen werden selbst bei der schlechter werdenden Lage am Arbeitsmarkt noch recht kräftig expandieren, da die Beschäftigung nur wenig sinkt, die Löhne teilweise spürbar angehoben werden und die Transfereinkommen stärker steigen, insbesondere weil die Renten der Lohnentwicklung mit Verzögerung folgen."

(Hört, hört!)

0,0 % im Jahresgutachten 2008/09 des Sachverständigenrates (November 2008) mit dem Titel: "Die Finanzkrise meistern - Wachstumskräfte stärken"

Kurz nach Erscheinen des Gutachtens schlug der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, die Abschaffung des Sachverständigenrates vor und gebrauchte (in einem Interview mit der Zeitschrift Supper-Illu) starke Worte:

"Ich glaube denen kein Wort. Wenn man frühere Prognosen mit der eingetretenen Realität vergleicht, merkt man recht schnell, dass diese sogenannten Weisen vor allem viel heiße Luft produzieren" (siehe auch Spiegel Online vom 15.11.2008).

"Ich finde, wir haben genug Sachverstand in den Ministerien, um Erkenntnisse zu sammeln, und genug Sachverstand in der Politik, um die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen", meinte Struck weiter und: "Wir sollten uns davor hüten, uns selbst in die Krise hineinzureden und in Aktionismus zu verfallen. Kein Staat der Welt, und schon mal gar nicht Deutschland allein, kann mit Konjunkturprogrammen, und mögen sie noch so viele Milliarden umfassen, die Probleme der Weltwirtschaft lösen". ("Maßnahmen für eine konjunkturgerechte Wachstumspolitik" waren eine der Forderungen der "Weisen".)

Lassen wir die Gutachter kurz selber mit ihren Erwartungen für 2009 und dem Risiko einer Fehlprognose zu Wort kommen: "Vor dem Hintergrund der Finanzkrise und des zu erwartenden Abbaus globaler Ungleichgewichte ist von einem auf absehbare Zeit schwächeren Weltwirtschaftswachstum auszugehen. Eine Erholung im Jahr 2009 wird deshalb allenfalls schleppend vorangehen. Der Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland wird nach Einschätzung des Sachverständigenrats stagnieren. Die Risiken dieser Prognose sind aufgrund der weiterhin hohen Unsicherheit als Folge der Finanzmarktturbulenzen abwärts gerichtet. Eine Abweichung nach oben würde sich bei einer deutlich dynamischeren Binnennachfrage einstellen."

Und an anderer Stelle des umfangreichen Gutachtens: "Das zentrale Risiko der Prognose liegt in möglichen zusätzlichen negativen Auswirkungen der Finanzkrise. Auch wenn es mit staatlichen Rettungsprogrammen gelungen ist, den Finanzsektor zu stabilisieren, besteht große Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung der Vermögenspreise. Die aus einem möglichen weiteren Verfall der Vermögenspreise entstehenden Verluste wären insbesondere eine zusätzliche Belastung für die Bankenbilanzen, wodurch sich die Gefahr einer Kreditklemme erhöhen würde. Von einem solchen Risikoszenario wären vor allem die Vereinigten Staaten betroffen, da dort die Konsumentwicklung stark von der Verfügbarkeit von Krediten sowie vom Verlauf der Aktienkurse und der Immobilienpreise abhängt."

minus 6,0 % im Frühjahrsgutachten 2009 der Institute

Innerhalb nur eines Jahres wurde die Prognose (für 2009) von plus 1,4 % auf minus 6,0 % korrigiert. Nur sechs Monate zuvor waren immerhin noch plus 0,2 % prognostiziert worden!


Grafik (ifo-Institut):

[Frühjahrsgutachten 2009]

Aus der Zusammenfassung des Frühjahrsgutachtens (Gemeinschaftsdiagnose) der Institute:

"Die Weltwirtschaft befindet sich im Frühjahr 2009 in der tiefsten Rezession seit der Großen Depression."

"Eine Abkühlung der Weltkonjunktur hatte sich bereits im Verlauf des Jahres 2007 angedeutet. Zu Beginn des vergangenen Jahres war die konjunkturelle Schwäche noch weitgehend auf die USA beschränkt. Danach setzte auch in den übrigen Industrieländern ein Abschwung ein. Die dramatische Zuspitzung der Situation an den Finanzmärkten im September 2008, die in dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers kulminierte, löste dann einen schweren Einbruch der Produktion aus, der auch die Schwellenländer erfasste, die sich zuvor noch recht robust gezeigt hatten. Die Stärke des Abschwungs im Winterhalbjahr 2008/09 erklärt sich so auch daraus, dass die Produktion nahezu überall auf der Welt gleichzeitig auf Talfahrt war. Unter den Industrieländern waren von dieser Entwicklung Japan und Deutschland, deren Wirtschaften eine hohe Exportabhängigkeit aufweisen, besonders stark betroffen."

"Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2009 in der tiefsten Rezession seit der Gründung der Bundesrepublik."

Das Gutachten nennt sich Diagnose, beinhaltet aber wie immer auch eine vielbeachtete Prognose. Und die ist diesmal ein wirklicher Hammer. 2009 soll das deutsche Bruttoinlandsprodukt um sage und schreibe sechs Prozent schrumpfen - vielleicht sogar mehr, denn:

"Die Prognose basiert vor allem auf der Annahme, dass es zu einer, wenn auch sehr langsamen, Gesundung des internationalen Bankensystems kommt, weil die staatlichen Rettungsmaßnahmen allmählich wirken. Diese Annahme ist mit großer Unsicherheit behaftet."

Die Prognostiker "riskieren" aber auch, dass es besser kommt:

"Es bestehen aber auch Aufwärtsrisiken, denn es ist ebenso gut möglich, dass sich die Konjunktur in Deutschland schneller erholt als prognostiert. Könnte die internationale Bankenkrise rasch gelöst werden und die Kreditvergabe schon wieder annähernd wie in normalen Zeiten funktionieren, dann würde die expansive Geldpolitik voll wirken."

Auf den Punkt gebracht heißt das: Die Krise ist schlimm. Wenn sie nicht gelöst wird, kommt es noch schlimmer, aber wenn sie gelöst wird, kommt es weniger schlimm. Grandiose Erkenntnis!

Aber die Gutachter ringen sich auch zu bemerkenswerten Sätzen durch:

"In den Industrieländern wurden unterschiedliche Vorgehensweisen gewählt, um die Probleme im Bankensektor anzugehen, und sicherlich gibt es keine Blaupause für den besten Weg. Es scheint jedoch unumgänglich, dass die Bundesregierung den Druck auf die Banken erhöht und sie notfalls zwingt, staatliche Hilfen anzunehmen. Selbst eine Verstaatlichung stellt ein geringeres Übel dar als ein Andauern der Schwierigkeiten."

Donnerwetter! Wenn etablierte Ökonomen Jahre nach der Niederlage des real existierenden Sozialismus langsam begreifen, dass der übermütig gewordene Kapitalismus auch nicht das Gelbe vom Ei ist, ist ja noch noch nicht alle Hoffnung verloren. Wenn allerdings Banken unter staatlichem Druck gezwungen würden, einer Realwirtschaft mit Überkapazitäten Geld nachzuschmeißen, wäre das wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluss und würde nicht lange gut gehen. Eine zu leichtfertige Kreditvergabe (zum Teil in Form von Hypotheken) war ja zumindest in den USA ein wesentlicher Bestandteil des ganzen Desasters.

Vielleicht starren auch alle viel zu sehr auf das Kreditwesen und verkennen das Kernproblem: die näher rückenden materiellen Grenzen des Wachstums.

Oder keimt auch diese Erkenntnis langsam auf? Wie die Gutachter immerhin festellen, "ist die Produktionsstruktur der deutschen Wirtschaft gegenwärtig noch an einen weltwirtschaftlichen Nachfrageboom angepasst, der nach Ende der Rezession so nicht wiederkehren dürfte".

Weitere Prognosen/Schätzungen im langsam zu Ende gehenden Jahr 2009:

minus 5,0 % im Herbstgutachten 2009 der Institute und ebenfalls

minus 5,0 % im Jahresgutachten 2009/10 des Sachverständigenrats


Minus 5,0 % im Jahr 2009 meldete auch das Statistische Bundesamt nach ersten Berechnungen in einer Pressemitteilung vom 13.1.2010.

"Der wirtschaftliche Einbruch fand hauptsächlich im Winterhalbjahr 2008/2009 statt. Im Jahresverlauf zeichnete sich eine leichte Stabilisierung der Wirtschaftsentwicklung auf dem neuen, niedrigen Niveau ab. Im Jahr 2008 war das BIP noch leicht um 1,3 %, in 2007 um 2,5 % und 2006 sogar um 3,2 % gestiegen."

5,0 % negatives Wachstum für das Gesamtjahr 2009 bestätigte das Statistische Bundesamt in einer weiteren Pressemitteilung vom 12.02.2010, in der hervorgehoben wurde, dass sich der (nach dem extrem schlechten 1. Quartal bereits im 2. und 3. Quartal 2009 eingetretene) leichte Aufwärtstrend nicht fortgesetzt habe: "Die Erholung der deutschen Wirtschaft ist Ende 2009 ins Stocken geraten: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im vierten Vierteljahr 2009 - preis-, saison- und kalenderbereinigt - auf dem Niveau des Vorquartals ..."

Aus einer weiteren Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 24.02.2010: "Wachstumsimpulse kamen im vierten Quartal 2009 lediglich vom Außenhandel: Während die Exporte im Vergleich zum Vorquartal um 3,0 % zulegten, waren die Importe mit  - 1,8 % rückläufig."

Später wurde (in einer Pressemitteilung vom 12.05.2010 unter dem Titel: "Bruttoinlandsprodukt im 1. Quartal 2010 leicht gestiegen") eine leichte Korrektur für 2009 gemeldet: "Neben der Erstberechnung des ersten Quartals 2010 wurden auch die bisher veröffent­lichten Ergebnisse des Bruttoinlandsprodukts für die vier Quartale und das Jahr 2009 überarbeitet und - soweit erforderlich - revidiert. Dabei wurden die Veränderungsraten des preisbereinigten BIP um maximal 0,2 %-Punkte nach oben korrigiert. Dies betrifft auch das Jahresergebnis: Im Jahr 2009 ist das BIP nach neuesten Berechnungen um 4,9 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.

Minus 4,7 % (2009) ergab eine Rückberechnung im August 2010 (siehe Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 13.08.2010).

[Wachstumsrate nach dem Berechnungsstand vor der VGR-Revision 2011]

0,2 % hatten die Wirtschaftsforschungsinstitute im Herbstgutachten 2008 erwartet und
0,0 % waren vom Sachverständigenrat im November 2008 prognostiziert worden
[siehe auch die beiden ersten Tabellen weiter oben].

Die Pressemitteilung vom 13.08.2010 (mit dem Titel: "Bruttoinlandsprodukt im 2. Quartal 2010 mit Rekordzuwachs") enthält auch routinemäßig überarbeitete Ergebnisse der letzten vier Jahre mit deutlichen Korrekturen gegenüber früheren Rechenständen.

Das Statistische Bundesamt bemerkt dazu: "Die vergleichsweise großen Korrekturen hängen mit der in der jüngsten Vergangenheit stark schwankenden Konjunktur zusammen, was die Schätzungen am aktuellen Rand erschwert."

Eine Tabelle weiter unten gibt einen Überblick über die Wachstumsraten der Jahre 2005 bis 2009 nach unterschiedlichen Rechenständen. Dabei zeigen sich besonders für das Jahr 2006 bemerkenswerte Unterschiede: Aus 2,5 % (Stand vom Januar 2007) wurden 3,4 % (Stand vom August 2010).



Prognosen für 2010:

minus 0,5 % im Frühjahrsgutachten 2009 der Institute und

   plus 1,2 % im Herbstgutachten

Grafik (ifo-Institut) zum Herbstgutachten 2009 der Institute:

[Herbstgutachten 2009]


1,6 % im Jahresgutachten 2009/10 des Sachverständigenrates (November 2009) mit dem Titel: "Die Zukunft nicht aufs Spiel setzen"

Einige Passagen aus dem Gutachten:

"Nach dem dramatischen Einbruch der Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr 2008/2009 hat sich die deutsche Konjunktur zur Jahresmitte stabilisiert. ...
So erfreulich das Ende der Abwärtsdynamik ist, die deutsche Volkswirtschaft befindet sich konjunkturell nach wie vor in einem tiefen Tal. Die leicht positiven Signale für das Jahr 2010 geben keinen Anlass zu euphorischen Einschätzungen ..."

"Die neue Bundesregierung wird in den nächsten Jahren mit großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen konfrontiert sein. Konkret muss es darum gehen:
- eine Exit-Strategie vorzubereiten und umzusetzen, welche die konjunkturelle
  Stabilisierung nicht gefährdet, aber die durch die Krise bedingten staatlichen Eingriffe
  auf ein normales Maß zurückführt, und
- Zukunftsinvestitionen zu fördern und zu tätigen, die Deutschland auf einen höheren
  Wachstumspfad bringen."

"Misslingt die Bewältigung dieser Herausforderungen, wird Deutschland für lange Zeit unter einer Wachstumsschwäche, einer die Generationengerechtigkeit untragbar verletzenden öffentlichen Verschuldung und einem am staatlichen Tropf hängenden Bankensystem, kurz der ‘japanischen Krankheit’ leiden."

Als zentrale finanzpolitische Aufgabe betrachten die Sachverständigen die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und warnen (selbst als notorische Wachstumsfetischisten) vor der Illusion, dieses Problem zu lösen, indem man einfach auf ein durch Steuersenkungen ausgelöstes Wirtschaftswachstum setzt (wie die schwarz-gelbe Bundesregierung Merkel-Westerwelle):

"Gelegentlich wird der Eindruck erweckt, die Konsolidierungsaufgabe erledige sich mit einer Steuersenkung und einem dadurch ausgelösten höheren Wachstum zu einem großem Teil von selbst. Richtig ist daran, dass eine dauerhaft höhere Wachstumsrate über Mehreinnahmen den Druck auf die öffentlichen Haushalte reduziert. Wenn die langfristige Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts von 3 1/4 vH auf 4 vH gesteigert werden könnte - bei einer Preissteigerungsrate von 1,8 vH entspräche dies einer unrealistischen Potenzialwachstumsrate von 2,2 vH -, würde sich der durch die Schuldenbremse vorgegebene Konsoldierungsbedarf des Bundes von 37 Mrd Euro um maximal ein Drittel verringern. Ein höheres Wachstum erleichtert die Konsolidierungsaufgabe also, kann sie aber keineswegs lösen. Umgekehrt würde ein geringeres dauerhaftes Wachstum alles noch schwieriger machen."

[Anmerkung: "Potenzialwachstum" = mögliche langfristige BIP-Zunahme bei normaler Auslastung
der Produktionskapazitäten, also bei Ausblendung kurzfristiger Konjunktureinflüsse]

Heftige Kritik an den im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP vorgesehenen Steuersenkungen im Gesamtvolumen von 24 Mrd Euro (die eher den Wohlhabenderen zugute kommen würden, besonders der FDP-Klientel):

"Angesichts der enormen Konsolidierungserfordernisse sind derartige Steuersenkungsversprechen ohne solide Gegenfinanzierung mit einer seriösen Finanzpolitik nicht vereinbar. Da alle im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen explizit unter Finanzierungsvorbehalt gestellt wurden, sollte es nicht schwer fallen, die Geschenkkörbe mit nicht gegenfinanzierten Steuersenkungen wieder einzusammeln."


1,5 % im Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute (April 2010)

Prognostizierte 1,5 % Wachstum statt minus 0,5 %, wie nur ein Jahr zuvor (im Frühjahr 2009) von denselben Prognostikern für das Jahr 2010 prognostiziert. Der wieder aufgekeimte Optimismus ist allerdings mit Skepsis gepaart, wie schon der Titel des Gutachtens andeutet: "Erholung setzt sich fort - Risiken bleiben groß".

Für das Jahr 2011 erwarten die Institute ein reales Wirtschaftswachstum von 1,4 %.

Aus dem Gutachten:

"Die Risiken für die Konjunktur bleiben groß. Diese resultieren zum Teil aus dem weltwirtschaftlichen Umfeld. Zudem ist die Lage im Bankensektor nach wie vor schwierig, auch wenn die Kreditrestriktionen zuletzt nicht weiter verschärft wurden. Jedoch können an den Finanzmärkten immer wieder Probleme auftreten, z. B. wenn aufgrund der hohen Defizite Zweifel an der Solvenz mancher Staaten aufkommen."

"Infolge der Wirtschaftskrise haben sich auch die mittelfristigen Aussichten für die deutsche Wirtschaft verschlechtert, das Bruttoinlandsprodukt wird in den kommenden Jahren spürbar niedriger sein, als vor der Krise erwartet wurde. (...) Die wirtschaftliche Erholung in Deutschland dürfte sich nach 2011 leicht beschleunigt fortsetzen. Gleichwohl wird das reale Bruttoinlandsprodukt nach dem scharfen Einbruch im vergangenen Jahr erst 2013 das Niveau aus dem Jahr 2008 erreichen."

Schlimmer als 5 Jahre "Nullwachstum" bei konstantem BIP!

Hätte man das schon 2008 prophezeit, wäre Deutschland wahrscheinlich in Weltuntergangs- und Selbstmordstimmung versunken. Doch wir leben noch.


3,5 % im Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute (Oktober 2010)

Ein paar kurze Auszüge aus dem Gutachten (S. 27):

"Alles in allem verlief die Erholung in Deutschland deutlich rascher als in nahezu allen anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften, und der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts dürfte in diesem Jahr unter den G7-Ländern am höchsten sein. Dies geht vor allem auf den rasanten Anstieg des Welthandels zurück. Nachdem die deutsche Wirtschaft vom Einbruch des internationalen Warenaustausches zur Jahreswende 2008/2009 besonders stark getroffen worden war und in der Folge das reale Bruttoinlandsprodukt - auch im Vergleich mit anderen Ländern - drastisch zurückgegangen war, hat sie nun von der starken Exportabhängigkeit profitiert. Dabei hat sich das traditionell stark auf Investitionsgüter ausgerichtete Exportsortiment günstig ausgewirkt, denn gerade in den rasch expandierenden Schwellenländern war die Investitionsdynamik sehr hoch."

Allerdings wird nach Meinung der Institute "die Expansion - anders als im Verlauf des Vorjahres - nicht mehr allein von einem Anstieg der Exporte und einem Umschwung bei den Lagerinvestitionen getrieben. Vielmehr ist in diesem Jahr auch die Binnenkonjunktur angesprungen, sowohl die privaten Konsumausgaben als auch die Unternehmensinvestitionen legten zu."

"Derzeit stellt sich die wirtschaftliche Lage deutlich günstiger dar, als dies noch im Frühjahr von den Instituten erwartet wurde."

[Kann man wohl sagen - bei einer Erwartung von 3,5 % nach nur 1,5 % ein halbes Jahr zuvor.]

"Alles in allem erwarten die Institute, dass sich die konjunkturelle Erholung im Prognosezeitraum zwar fortsetzt, das Tempo allerdings spürbar geringer sein wird als in der ersten Hälfte dieses Jahres. Maßgeblich hierfür ist, dass die weltwirtschaftliche Expansion an Fahrt verliert; in gewichtigen Volkswirtschaften schwächt sich die Konjunktur vorraussichtlich sogar deutlich ab. In der Folge wird der Außenhandel wohl - anders als in den vergangenen Quartalen - kaum noch zum Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts beitragen. Damit wird die Inlandsnachfrage das Tempo der Expansion bestimmen."

(Für 2011 erwarten die Institute ein Wirtschaftswachstum von 2,0 %.)


Hinweis: Nach drei Jahren wurde die Zusammensetzung der Institute verändert: Anstelle des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böcklerstiftung und des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) kooperiert fortan Kiel Economics mit dem IWH in Halle. Das ZEW (Zentrum für Eurpäische Wirtschaftsforschung) in Mannheim kooperiert mit dem IfW Kiel (bisher ohne Kooperationspartner).
Aus einer Pressemeldung des Bundeswirtschaftsministeriums vom 3.6.2010:

Die Gemeinschaftsdiagnose wird bis einschließlich Frühjahr 2013 von den folgenden vier Bietergemeinschaften erstellt:

  • ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V. an der Universität München
    mit KOF Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich
  • Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel
    mit Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH
  • Institut für Wirtschaftsforschung Halle
    mit Kiel Economics Research & Forecasting GmbH & Co. KG
  • Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
    mit Institut für Höhere Studien, Wien


3,7 % Wachstum im Jahr 2010 erwarten die 5 weisen Wirtschaftsprofessoren im Gutachten 2010/11

des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im November 2010, nachdem sie ein Jahr zuvor 1,6 % prognostiziert hatten, und überreichen ihr Werk (mit dem Titel: "Chancen für einen stabilen Aufschwung") der Regierungschefin:

[Übergabe des Jahresgutachtens 2010/11 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage (www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de)]

Den starken Wachstumseinbruch 2009 und die rasante "Erholung" 2010 - beides Entwicklungen, die sich die Wirtschaftsweisen nie hätten träumen lassen - beschreiben sie im Nachhinein so (Auszüge aus dem Gutachten):

"Es trifft zu, dass Deutschland im Jahr 2010 mit einer überdurchschnittlich starken und schnellen Erholung den Weg aus der Krise gefunden hat. Das Bruttoinlandsprodukt wird in Deutschland im Jahr 2010 voraussichtlich um 3,7 vH zulegen, was in etwa zu gleichen Teilen auf eine Belebung der Binnennachfrage und auf außenwirtschaftliche Impulse zurückzuführen ist. (...) Wesentlich bescheidener dürfte hingegen die wirtschaftliche Entwicklung im Euro-Raum (ohne Deutschland) ausfallen: Die Zuwachsrate wird sich voraussichtlich auf 0,9 vH belaufen (...)."

"Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere weist auf das Jahr 2009 mit einem konjunkturellen Einbruch, welcher desaströs ausfiel mit -4,7 vH in einem für Deutschland beispiellosen Ausmaß. Dabei schlug der Rückgang der Exportaktivitäten um 14,4 vH besonders zu Buche, dieser konnte im Jahr 2010 fast wieder aufgeholt werden. Dies lag neben einer positiven Entwicklung des Welthandels - im ersten Halbjahr 2010 stieg dieser um 12,3 vH - an der hohen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft."

"Die markante Exportorientierung der deutschen Volkswirtschaft erklärt vor dem Hintergrund des Wechselbades, dem der Welthandel ausgesetzt war, also beides, den scharfen Rückgang und den steilen Anstieg der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland."

(Für 2011 rechnen die fünf Wirtschaftsweisen mit einer Fortsetzung der konjunkturellen Belebung und einer BIP-Zuwachsrate von 2,2 % und bemerken dazu: "Bei diesem ungewöhnlich kraftvollen Aufholprozess darf nicht vergessen werden, das sich das Bruttoinlandsprodukt zur Jahresmitte 2010 noch auf einem Niveau befindet, wie es zuletzt zum Jahreswechsel 2006/2007 erreicht worden war".)


3,6 % für 2010 meldete das Statistische Bundesamt nach ersten Berechnungen in einer Pressemitteilung vom 12.01.2011.

[Wachstumsrate nach dem Berechnungsstand vor der VGR-Revision 2011]

1,2 % hatten die Wirtschaftsforschungsinstitute im Herbstgutachten 2009 erwartet und
1,6 % waren vom Sachverständigenrat im November 2009 prognostiziert worden
[siehe auch die beiden ersten Tabellen weiter oben].

Aus der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts (Langfassung) vom 12.01.2011:

"Die deutsche Wirtschaft ist im Jahr 2010 wieder kräftig gewachsen. Mit + 3,6 % stieg das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) so stark wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Dies ergaben erste Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Die wirtschaftliche Erholung fand hauptsächlich im Frühjahr und Sommer 2010 statt."

"Die Entstehungsseite des BIP war im Jahr 2010 vor allem durch Aufholeffekte nach der Wirtschaftskrise geprägt, die sich in nahezu allen Wirtschaftsbereichen positiv auswirkten."

"Die Verwendungsseite des BIP war im Jahr 2010 durch positive Impulse aus dem In- und Ausland gekennzeichnet. (...) Die Exporte stiegen preisbereinigt um 14,2 %, die Importe etwas weniger stark um 13,0 %. Der resultierende Außenbeitrag, also die Differenz zwischen Exporten und Importen, steuerte dadurch im Jahr 2010 einen positiven Wachstumsbeitrag von 1,1 Prozentpunkten zum BIP bei (2009: - 2,9 Prozentpunkte)."

"In jeweiligen Preisen erhöhte sich das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2010 auf 2.498 Milliarden Euro (+ 4,2%). Das Bruttonationaleinkommen verzeichnete einen ähnlich starken Zuwachs (+ 4,0%) auf 2.527 Milliarden Euro."

[Anmerkung: Wie üblich war das deutsche BIP damit nahezu identisch mit dem
BNE (Bruttonationaleinkommen, früher als Bruttosozialprodukt bezeichnet).]    

"Das Volkseinkommen, das sich aus dem Arbeitnehmerentgelt und den Unternehmens- und Vermögenseinkommen zusammensetzt, ist 2010 um 6,0% auf 1.899 Milliarden Euro gestiegen." - Dabei stiegen aber die Unternehmens- und Vermögenseinkommen (die 2009 stark zurückgegangen waren) wesentlich stärker als das Arbeitnehmerentgelt. - "Die Lohnquote, die den Anteil des Arbeitnehmerentgelts am Volkseinkommen misst, ging demzufolge gegenüber dem Jahr 2009 um 2,1 Prozentpunkte zurück auf nunmehr 66,3%."



Fazit und Nachbemerkungen:

Was auch immer die umfangreichen Gutachten (Gemeinschaftsdiagnosen) der Wirtschaftsforschungsinstute und des Sachverständigenrates ("5 Weise") an nützlichen und weniger nützlichen Ratschlägen für die Politik beinhalten, die Prognosen kann man jedenfalls knicken (siehe Tabellen ganz oben).

Die hohe Medienaufmerksamkeit verdienen sie kaum. Wie die jüngsten Prozentzahlen immer sofort im ganzen Land herumposaunt werden, wirkt eher komisch, wenn man sich im Nachhinein die tatsächliche Entwicklung anschaut. Nehmen wir hier nur noch einmal die Prognosen für das jeweilige Folgejahr in den Herbstgutachten der Institute (Oktober) und in den Gutachten der Weisen (im November, also auch noch im Herbst):

Prognose im Herbst 2005 für das Jahr 2006: 1,2 % bzw. 1,0 %, doch es wurden 3,4 %.
Prognose im Herbst 2006 für das Jahr 2007: 1,4 % bzw. 1,8 %, doch es wurden 2,7 %.
Prognose im Herbst 2007 für das Jahr 2008: 2,2 % bzw. 1,9 %, doch es wurden 1,0 %.
Prognose im Herbst 2008 für das Jahr 2009: 0,2 % bzw. 0,0 %, doch es wurden minus 4,7 %.
Prognose im Herbst 2010 für das Jahr 2010: 1,2 % bzw. 1,6 %, doch es wurden 3,6 %.

[tatsächliche Wachstumsraten (rechts) nach dem
Berechnungsstand vor der VGR-Revision 2011]  

Vielleicht sollte man alles mit Humor nehmen (den wir uns auch auf jeden Fall erhalten sollten):

Aber hier, wie überhaupt,
kommt es anders als man glaubt
(Wilhelm Busch [1832-1908] in "Plisch und Plum").

Manche finden aber die in die Hosen gegangenen Prognosen und deren (gut bezahlte) Urheber weniger witzig:

"Sie prognostizieren Wirtschaftsverläufe, beraten Regierungen oder lenken indirekt die Maßnahmen der Geldpolitik. Am Ende erweisen sich Prognosen nachweisbar als falsch; verkehrte Maßnahmen wurden ergriffen, vielleicht gehen Firmen in Konkurs und viele Menschen stehen auf der Straße. Käme jemand auf den Gedanken, die Ökonomen auf Schadensersatz zu verklagen? Ich habe mehrfach, sozusagen in der Höhle des Löwen, vor Kollegen die Forderung erhoben, daß man Wirtschaftsforschungsinstitute, Zentralbankräte, Beratungsgremien der Regierung, die Prognosen erstellen, wenigstens in ihrer Entlohnung vom Prognoseerfolg abhängig machen sollte. Können Sie sich vorstellen wie die Reaktion war? ‘Nestbeschmutzer’ war noch die harmloseste Vokabel, die ich zu hören bekam" (So der ehemalige Mitarbeiter des ifo-Instituts, Karl-Heinz Brodbeck: Warum Prognosen in der Wirtschaft scheitern [ein - auf dieser Website archivierter - Vortrag am 10. Mai 2001 bei der Philosophischen Gesellschaft, Bremerhaven - Text gefunden bei www.zukunft-ennstal.at]).

Fairerweise muss man aber sagen, dass sich auch die angegriffenen Prognostiker mit ihren Fehlprognosen auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen wie das ifo-Institut - siehe auf dieser Website archivierte Beiträge aus dem ifo-Schnelldienst:

Zitate (aus "Wirtschaftskonjunktur 2008"):

"Konjunkturprognosen sind theoriegestützte ‘Wenn-Dann’-Aussagen, denen im Zeitpunkt der Erstellung die größte subjektive Eintrittswahrscheinlichkeit zugebilligt wird, die aber keinesfalls als sicher eingeschätzt werden dürfen (vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 1964)".

Was Prognosen so schwierig macht, ist vor allem die Wechselhaftigkeit der Rahmenbedingungen, die ihrerseits "zumeist auf vorgelagerten prognostischen Überlegungen beruhen, in manchen jedoch lediglich Setzungen sind".

("Zu den außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Deutschlandprognose zählen normalerweise die erwartete Entwicklung von Welthandel, Weltkonjunktur, Rohstoffpreisen und Wechselkursen sowie die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Zu den binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden die Annahmen über den zukünftigen Kurs der Lohn- und Finanzpolitik gerechnet."
Zu den weiteren Randbedingungen gehören "das allgemeine politische Umfeld, die meterologischen Bedingungen oder auch die Entwicklung an den Finanz- und Devisenmärkten.")

"Wenn die jeweils gesetzten Rahmenbedingungen über den Prognosezeitraum hinweg Bestand haben, dann sollten die Prognosen eintreffen. Ändern sich die Rahmendaten jedoch im Prognosezeitraum (...) so sind Prognosefehler und rasch aufeinanderfolgende Prognoserevisionen geradezu unvermeidlich. Für den Prognostiker besteht das Dilemma darin, dass in wirtschaftlich instabilen Zeiten, in denen die Nachfrage nach Konjukturprognosen besonders groß ist, die Produktionsbedingungen für wissenschaftliche Prognosen besonders schlecht sind".

"Beim Vergleich von Prognosen mit den später veröffentlichten amtlichen Ergebnissen sollte zudem nicht übersehen werden, dass sich die statistische Ausgangslage zum Prognosezeitpunkt oftmals anders darstellt, als sie später - nach zum Teil deutlichen Datenrevisionen - erscheint."

Und (etwas trotzig klingend): "Trotz aller Schwächen sind und bleiben Konjunkturprognosen für die Orientierung der Entscheidungsträger von Wirtschaft und Politik unentbehrlich".

Konjunkturprognosen - unentbehrlich? - Darüber kann man allerdings geteilter Meinung sein. Besonders Politiker würden wohl manchmal gerne darauf verzichten.

Gut oder schlecht ausgefallene Wachstumsprognosen wirken immer auch ein bisschen wie Schulnoten für die Wirtschaftspolitik der Regierenden und werden natürlich von diesen und der Opposition unterschiedlich aufgenommen. Dabei kann es auch mal zu heftigen Reaktionen kommen. Wie schon oben erwähnt, erboste sich (in schwarz-roten Regierungszeiten) der SPD-Politiker Struck 2008 so sehr über die Prognose der 5 Weisen für das Jahr 2009, dass er den Sachverständigenrat am liebsten abschaffen wollte und meinte: "Wenn man frühere Prognosen mit der eingetretenen Realität vergleicht, merkt man recht schnell, dass diese sogenannten Weisen vor allem viel heiße Luft produzieren".

Struck ärgerte sich dabei über vorhergesagte null Prozent Wachstum, was ihm offenbar viel zu miesmacherisch erschien: "Wir sollten uns davor hüten, uns selbst in die Krise hineinzureden".
Der Witz bei der Sache: Wie sich später herausstellte, lag die Prognose wirklich total daneben, war aber keineswegs zu miesepeterig, sondern noch viel zu optimistisch. (Statt null Prozent BIP-Wachstum brachte das Jahr 2009 eine seit dem Ende des 2. Weltkriegs nicht gekannte Schrumpfung von rund fünf Prozent.)


Erstaunlich ist auch, wie stark sich die vom Statistischen Bundesamt errechneten und über mehrere Jahre routinemäßig korrigierten Wachstumsraten rückwirkend noch ändern können. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Wachstumsraten der Jahre 2005 bis 2010 nach unterschiedlichen Rechenständen. Dabei zeigen sich besonders für das Jahr 2006 bemerkenswerte Unterschiede:

  2005 2006 2007 2008 2009 2010
Berechnungsstand Januar 2006     0,9 %           
Berechnungsstand August 2006     0,9 %           
Berechnungsstand Januar 2007       2,5 %         
Berechnungsstand August 2007     0,8 %     2,9 %         
Berechnungsstand Januar 2008         2,5 %       
Berechnungsstand August 2008     0,8 %     3,0 %     2,5 %       
Berechnungsstand Januar 2009           1,3 %     
Berechnungsstand August 2009     0,8 %     3,2 %     2,5 %     1,3 %     
Berechnungsstand Januar 2010           - 5,0 %   
Berechnungsstand August 2010     0,8 %     3,4 %     2,7 %     1,0 %   - 4,7 %   
Berechnungsstand Januar 2011               3,6 % 

Wie zuletzt im Jahr 2005 wurde 2011 wieder eine große Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen durchgeführt. - Neuer Stand nach der VGR-Revision 2011:

  2005 2006 2007 2008 2009 2010
Berechnungsstand August 2011     0,7 %     3,7 %     3,3 %     1,1 %   - 5,1 %     3,7 % 

Aber auch diese Angaben sind noch nicht endgültig. Im August 2012 werden wie in jedem Jahr die voraufgegangenen vier Jahre anhand neuerer Daten überarbeitet, was zu weiteren Korrekturen der Wachstumsraten führen kann.

Man berücksichtige immer den schon weiter oben zitierten Hinweis des Statistischen Bundesamts: "Um möglichst frühzeitig aktuelle Zahlen veröffentlichen zu können, werden die Ergebnisse auf unvollständiger Datenlage berechnet und zum Teil geschätzt. Erst nach rund vier Jahren, wenn nahezu alle notwendigen Basisstatistiken vollständig vorliegen, gelten die Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen - vorbehaltlich so genannter großer, konzeptbedingter Revisionen - als ‘endgültig’" (Schnellmeldung vom 14.8.2007).

Aber manchen Herrschaften kanns ja nicht schnell genug gehen: "Seit dem Jahr 2000 hat sich die erste Veröffent­lichung des BIP, unter anderem auf Drängen der Finanzwelt und des Bedarfs der EZB nach aktuelleren Daten für die Eurozone, von 65 auf nur noch 45 Tage nach Abschluss des Berichtsquartals beschleunigt" (aus einer schon weiter oben zitierten Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 3.8.2007).

Zur großen Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 2011 bemerkt das Statistische Bundesamt in einer Pressemitteilung vom 01.09.2011: "Die VGR-Revision 2011 dient in erster Linie der Umstellung auf die neuen Wirtschaftszweig- und Güterklassifikationen (...). Darüber hinaus wurden aber auch sämtliche bisherige Berechnungen überprüft und neue Erkenntnisse soweit möglich in das Rechenwerk integriert. Dadurch kommt es in den gesamten Zeitreihen ab 1991 zu Korrekturen unterschiedlicher Größenordnungen. Der Revisionsbedarf ist in der Regel in den letzten vier Jahren (also ab 2007) am größten, da für diese Zeiträume die Ergebnisse von Basisstatistiken zum Teil erstmalig verfügbar sind. Die in der jüngeren Vergangenheit stark schwankende Konjunktur hat die Schätzungen am aktuellen Rand zusätzlich erschwert."

Abschließend noch eine Gegenüberstellung der alten und neuen Wachstumsraten, beginnend mit dem Jahr 1992.

(Warum 1992? - Nach der deutschen Wiedervereinigung [Oktober 1990] entstand erstmals 1991 ein gesamtdeutsches Bruttoinlandsprodukt und damit erstmals ein Ausgangswert für eine jährl. BIP-Wachstumsrate, die somit erstmals für 1992 angegeben werden kann. - Für das frühere Bundesgebiet allein liegen jedoch ältere Wachstumsraten bis einschl. 1991 vor.)

  1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
 vor VGR-Revision 2011 X + 2,2% - 0,8% + 2,7% + 1,9% + 1,0% + 1,8% + 2,0% + 2,0% + 3,2%
 nachher   (August 2011) X + 1,9% - 1,0% + 2,5% + 1,7% + 0,8% + 1,7% + 1,9% + 1,9% + 3,1%
  2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
 vor VGR-Revision 2011 + 1,2%  0,0% - 0,2% + 1,2% + 0,8% + 3,4% + 2,7% + 1,0% - 4,7% + 3,6%
 nachher   (August 2011) + 1,5%  0,0% - 0,4% + 1,2% + 0,7% + 3,7% + 3,3% + 1,1% - 5,1% + 3,7%

Für den obigen Vergleich mit den Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute und des Sachverständigenrats (siehe vor allem Tabellen) wurden aus Kompatibilitätsgründen die Angaben vor der VGR-Revision 2011 herangezogen.



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